Kekse, Avocado, Haferflocken und Käse passen hervorragend zueinander, man muss nur richtig mischen! Das hat die gestern auf 18 Teilnehmer*innen angewachsene Gruppe (diesmal unter der Leitung von Astrid Rashed und Alexander Ernst) demonstriert: Vier verschiedene Kleingruppen sprechen, rufen oder flüstern in einem bestimmten Rhythmus ihren jeweiligen Begriff – Kekse-Kekse-Kekse-Kekse etwa entspricht A-vo-ca-do-, und wenn alle zusammenkommen, ist der Beat schon beinahe tanzbar!
Überhaupt stand Tag 2 überwiegend im Zeichen des Sounds, des Experimentierens mit Klängen und Worten. Spielerische Warm-Ups halfen vorher letzte Hemmungen und etwaige Berührungsängste mit Spaß zu überwinden: die im Kreis auf den eigenen Fersen sitzende Runde sollte zum Beispiel die Hände vor sich auf den Boden legen, wobei sich die jeweilige eigene Hand mit der jeweiligen Nachbar-Hand kreuzt. Jetzt musste – in der richtigen Reihenfolge der nebeneinander liegenden Hände – möglichst kontinuierlich Hand für Hand auf den Boden geklatscht und der Rhythmus reihum geschickt werden. Spätestens wenn dann durch einen Doppelklatscher ein Richtungswechsel eingeleitet wird, ist die Verwirrung „wem gehört welche Hand und wann ist wer dran?“ erst einmal komplett. Zudem werden „Fehler-Hände“ aus der Runde genommen, so dass die Abfolge sich ständig verändert – und trotzdem schnurrt es irgendwann. Bei der nächsten Party unbedingt nachmachen!
Mit dem aus dem Gedicht „Stufen“ stammenden berühmten Hermann Hesse-Satz „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“ ging es ans Mikrofon und Loop-Gerät. Die einzelnen Worte wurden auf dei Teilnehmenden verteilt und in der Runde hintereinander aufgenommen, übereinander gelegt und zusätzlich um die Kern-Worte auf verschiedenen anderen Sprachen (etwa Arabisch, Farsi, Kurdisch, Serbokroatisch, Englisch, Spanisch) ergänzt, während parallel eine andere sechsköpfige Kleingruppe an einer performativen, multi-medialen, ebenfalls mehrsprachigen Umsetzung von Rilkes Gedicht „Das Karusell“ arbeitete. Ein weiterer Soundtrack entstand durch eine „Lautmalerei“ aus Rasseln, Lotos- und Panflöten, Mundharmonika, Cachon, Glockenspiel, Tambourin etc.
Und was es mit der echten Malerei aus unterschiedlich großen Kreide-Kreisen auf dem Bühnenboden auf sich hat, wird hier noch nicht verraten – dazu müsst Ihr Euch am Freitag Abend um 19 Uhr die Workshop-Präsentation im Theater unterm Dach anschauen! Nur so viel: Material dafür geliefert hat dieser kreative Tag 2 zur Genüge!
Zu manchen Theatererlebnissen kann man gar nicht viel sagen außer: Toll, dass sich das miterleben durfte!
Wie Sylke Hannasky mit ihrer Theateradaption „geht man im traum durch eine wand?“ nach Motiven des Films „Before I Fall“ ihre vier großartigen 15- bis 17jährigen Spielerinnen auf eine theatralische Reise durch die psychischen Untiefen des Erwachsenwerdens schickt, ist großes Kino – oder nein: großes Theater!
Entstanden ist diese berührende, poetische, aber auch extrem lustvolle Umsetzung im Rahmen der Theaterwerkstatt der Jugendtheateretage 2017 „Film kommt zum Theater“ im vergangenen Herbst und wurde jetzt – glücklicherweise! – nach einer 7-monatigen Spielpause eigens für die Werkschau Jugendtheater noch einmal wiederaufgenommen. Dabei konzentriert sich die Inszenierung ausschließlich auf die Mädchen-Clique um die Hauptfigur Sam und deren Mobbing-Opfer Juliet. Sämtliche anderen Figuren der Filmvorlage bleiben außen vor, selbst die etwas verkorkste Liebesgeschichte zwischen Sam und ihrem Freund wird nur in wenigen Anspielungen angedeutet.
Tatsächlich erlebt Sam, die hier in wechselnder Besetzung von allen vier Spielerinnen verkörpert wird, den Tage ihres Todes (sie stirbt bei einem Autounfall) immer wieder neu – und immer wieder hat sie die Möglichkeit, andere Lebensentscheidungen zu fällen. Unter der Vorgabe „Werde wer du bist!“ – ein zunächst als Valentinskarten-Spruch eingeführtes Lebensmotto – erlebt Sam nach und nach ihre Menschwerdung als empathisches, mitfühlendes Wesen. Und obwohl sich die Inszenierung um das unabwendbare Thema Sterben rankt, ist sie unfassbar lebendig und lebensbejahend – und das auf einem für eine Schüler*innen-Produktion geradezu unglaublichem Niveau. In einem ebenso einfachen wie starken Bühnenbild bewegen sich die vier Akteurinnen mit traumwandlerischer Sicherheit und Grandezza: eine schemenhaft durchsichtige auf ein Metallgerüst gespannte Plastikfolie dient als „Zeitfenster“ im Hintergrund, während die Spielerinnen davor vier schwarze Holzkisten zu unterschiedlichen Konstruktionen zusammenfügen und auch akustisch nutzen. Begrenzt wird die Bühne rechts und links durch eine Reihe roter Plastikbecher voller roter Rosenblütenblätter, die immer wieder verstreut werden und als rote Farbkleckse am Ende große Teile des schwarzen Bühnenbodens bedecken – ebenso schön wie symbolträchtig. Der tolle Soundtrack aus Song-Fragmenten, einem wiederkehrenden musikalischen Grundmotiv und den Lebenssinn befragenden Stimmen der Spielerinnen verdichtet den Abend zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk. Chapeau!
Wer so etwas auch einmal miterleben will, der sollte sich unbedingt eintragen für die Theaterwerkstatt 2018 im kommenden Herbst! Wir jedenfalls wollen mehr davon!
Text: Mareile Metzner
Fotos: Lena Leuschner